Zunächst muss ich mich erst einmal rechtfertigen vor jedem, der sich fragt: „Warum zum Teufel schreibt er so ausführlich über das Restaurieren von Kondensatoren?“.
Aus meiner Sicht sind die zwei häufigsten Probleme, die dazu führen, dass alte Geräte den Geist aufgeben in erster Linie defekte Kondensatoren sowie auf Platz zwei korrodierte Kontakte von mechanischen Bauteilen wie Schaltern, Relais oder Potentiometern. Zu letzterem schreibe ich sicher dieses Jahr noch einen Artikel. Den Kondensatoren, insbesondere den Elektrolytkondensatoren (kurz: Elko) widme ich mich hier. Mit Papierkondensatoren habe ich vor einiger Zeit ein Experiment gestartet, was aktuell noch läuft. Die anderen zwei gebräuchlichen Kondensator-Typen – Keramik- und Folienkondensatoren – sind weitaus langlebiger als die mit Papier oder Elektrolyt, weshalb ich die nur in sehr seltenen Fällen austauschen muss und hier auch nicht weiter darüber berichte.
Der Protagonist dieses Artikels ist ein 50+50µF/350V Netzteil-Elko aus einem Röhrenradio „Saalburg 5170“ vom VEB Stern-Radio Sonneberg, was ich für meinen Freund Axel Anfang 2015 repariert hatte.
Das Radio hat wohl schon seit dem Kauf gebrummt und tatsächlich haben wir einen Produktionsfehler gefunden, der nun nach 50 Jahren behoben wird. Der Kondensator war nicht korrekt gebördelt, somit ist das Elektrolyt ausgelaufen.
Aufbau von Elektrolytkondensatoren
Nun aber zum Thema. Besser als Wikipedia kann ich das nicht zusammenfassen, was man dazu wissen muss.
https://de.wikipedia.org/wiki/Aluminium-Elektrolytkondensator
Der wichtigste Punkt ist, dass es sich um eine Aluminiumfolie handelt, die auf einer Seite eine dünne Oxidschicht hat. Der ganze Wickel befindet sind in einer Flüssgkeit, dem Elektrolyt. Dieses sorgt dafür, dass sich in einem elektrochemischen Prozess die Oxidschicht bildet. Notwendig ist dazu ein elektrisches Feld bzw. eine Spannung. Den Prozess des Aufbaus der Oxidschicht nennt man formieren. Wichtig ist noch der Begriff Leckstrom, was den Strom bezeichnet, der durch diese Oxidschicht sozusagen durchgeht. Je niedriger der Leckstrom, umso besser. Je höher der Strom, umso mehr Verlustleistung haben wir im Kondensator, was zu Wärmeentwicklung und im Extremfall bis hin zur Explosion führen kann.
Defekte
Die drei häufigsten Defekte sind:
- Abbau der Oxidschicht nach langer Zeit ohne Betrieb
- Auslaufen des Elektrolyts bzw. Austrocknen
- Kurzschluss bzw. Durchschlag
Bei Punkt 1 kann man den Kondensator neu formieren. Bei den Punkten zwei und drei ist das Bauteil verloren. Man kann aber das Gehäuse retten und das Innenleben durch einen Kondensator aktueller Bauart ersetzen. So ist es zumindest möglich, den äußeren Anschein und die Funktion zu bewahren, was für Restaurierungen ein wichtiger Punkt ist.
Elko öffnen und Innenleben austauschen
Diesen Prozess stelle ich hier als kleine Bildgeschichte dar. Tatsächlich war der Elko innen staubtrocken wie vermutet. Als Sicherheitshinweis möchte ich mitgeben, dass für die Arbeiten Handschuhe und ein Atemschutz getragen werden sollten. Normalerweise sind die Elektrolyte aus Standard-Elkos ungiftig, ob in den 50er und 60er Jahren aber wirklich Wert auf Ungiftigkeit gelegt wurde, wage ich zu bezweifeln.
Elko neu formieren
Generell sollte man Geräte mit Netzanschluss, die sehr lange nicht eingeschaltet waren, nicht so einfach wieder in Betrieb nehmen. Häufig verursacht der Netzteil-Elko dann einen Kurzschluss, was zu diversen Folgefehlern führt. Der Elko muss neu formiert werden, wozu es zwei grundsätzliche Möglichkeiten gibt. Man kann das im Gerät machen oder aber den Kondensator ausbauen.
Neu formieren im Gerät
Falls jemand das hier beschriebene Verfahren selbst anwendet, dann ausdrücklich auf eigene Gefahr. Ich habe das bereits mehrfach mit Erfolg gemacht, was aber nicht heißt, dass es immer klappt. Das Verfahren ist einfach und baut darauf, dass alte Geräte recht robust sind und ein kurzzeitiger Kurzschluss dem Netzteil nicht schadet. Jeden Tag wird ein wenig länger eingeschaltet. Danach gibt es eine Ruhepause, in der sich die Oxidschicht im Elko wieder aufbauen kann
- Tag 1: Einschalten für 5s
- Tage 2-3: Einschalten für je 10s
- Tage 4-7: Einschalten für je 20s
- ab Tag 8: jeden Tag die Zeit verdoppeln
Bei sehr alten Geräten, also älter als 50 Jahre und für besonders vorsichtiges Vorgehen, muss die Phase Tage 2-3 auf deutlich mehr Tage ausgedehnt werden, ich würde bis zu 2 Wochen vorschlagen.
Neu formieren mit Hochspannungsnetzteil
Meine bevorzugte Methode ist die Formierung mit einem Hochspannungsnetzteil mit Strombegrenzung. Das ist eine sehr sichere Methode, wenn man den Leckstrom überwacht und die Spannung entsprechend langsam erhöht. Die Dauer des Prozesses geht von wenigen Stunden bis zu mehreren Wochen. Das hängt ganz von Alter und Bauart des Kondensators ab. Die Spannung wird langsam erhöht während darauf geachtet wird, dass der maximale Leckstrom nicht überschritten wird.
Meine Richtwerte für den maximalen Leckstrom sind:
- 50µA pro µF bei 350V Kondensatoren
- 100µA pro µF für 500V Typen
Bei Kondensatoren, die aus den 40er oder frühen 50er Jahren sind, kann der Leckstrom auch bis zum dreifachen Wert gehen. Wichtig ist, dass sich irgendwann ein stabiler Wert einstellt.
Natürlich steht ein Hochspannungsnetzteil und ein Strommesser mit 1mA Messbereich nicht jedem zur Verfügung. Hier habe ich eine Anleitung gefunden, wie es auch einfacher geht:
Formieren_alter_HV-Elkos
Quelle: http://www.el-me-se.de/old/pdf_files/Formieren%20alter%20HV-Elkos.pdf
Hast Du schon einmal ausprobiert, das alte Gerät an einen Stelltrafo anzuschließen und diesen von nahe Null extrem langsam hochzudrehen?
Hallo Stefan,
das habe ich tatsächlich schon mal probiert. Auf jeden Fall ist das eine gute Lösung, die auch noch den Vorteil hat, dass man nichts ausbauen oder löten muss. Nachteil ist, dass man manuell nachregeln muss. Außerdem könnte einem der Elko trotz aller Vorsicht um die Ohren fliegen, da man im eingebauten Zustand schwer den Leckstrom prüfen kann. Ich würde das nur für Geräte verwenden, die so ca. ab 1970 gebaut wurden. Bei älteren Geräten würde ich auf Nummer Sicher gehen.
Viele Grüße,
Uwe
Hallo Uwe!
Ich bin über Deine Seite gestolpert, auf der Suche nach einer Lösung für einen Hochspannungskondensator einer Mikrowelle. Diese scheint (?) es nicht mehroder kaum in der Bauform wie in den Neunzigern zu geben, mit eiem M12 Gewindstift. Also muß das ordentlich im Gehäuse irgendwie bewerkstetelligt werden. Warum keine neue MW? Nun, das Maß gibt es nicht mehr. Einerseits und andererseits hat Miele damals auch schon mit einem Einbaurahmen drumherum getrixt, um auf ein (teures) Einbaumaß zu kommen. Ich habe entweder ein totes Gerät in der Küche, oder ein Loch. Oder man kauft eine neue Küche. Das will ich noch vermeiden.
Nun zu Deinem Projekt. Ich habe ein Fabel für alte Dinge (im historischen Sinne, die Miele-Küche gehört nicht dazu). Diese Lösung als (Nichtelektroniker) imponiert mir. Ich empfinde das als sensibelen respektvollen Umgang mit solch einem Stück Technik.
Als Kind, das sehe ich gerade geistig vor mir, hat mich das magische Auge unseres Röhrenradios unglaublich fastziniert.
Also viele Grüße Peter