Test Oszilloskop Röhre Telefunken O7S1

Als erstes muss ich kurz vorwarnen: Dieser Beitrag ist etwas länger als üblich aber so ist das mit einem Hobby. Man hat einen Plan, lernt mittendrin Neues und erweitert ein Projekt Stück für Stück. Es geht beim Hobby nicht um Effizienz, sondern darum, etwas „schön“ zu machen und am Ende zufrieden zu sein. Da kommen schnell ein paar zusätzliche Wochenenden Bastelei zusammen für etwas, was eigentlich nur ein paar Stunden dauern sollte…
Aus dem geplanten Test der O7S1 hatten sich im Laufe der Zeit auch noch diese Punkte ergeben:

  • Sägezahngenerator, Versuchsaufbau und Simulation mit PSpice
  • Verstärker für X- und Y-Ablenkung mit Doppeltriode 6N2P
  • Gesamtschaltung für ein Mini-Oszilloskop

Aber jetzt geht’s los mit dem Artikel.


Kürzlich habe ich ein altes Oszilloskop „Picoskop“ neu aufgebaut.  Neben einigen anderen Dingen fehlte auch die Kathodenstrahlröhre. Im Originalgerät ist eine B7S1 vom VEB Funkwerk Erfurt (Teil des RFT) verbaut. Die Bezeichner solcher Röhren sind meist so wie in diesem Fall zusammengesetzt: Ein Buchstabe gefolgt von der Bildschirmdiagonale und der genaueren Bezeichnung. In dem Fall steht B7S1 wahrscheinlich für Bildröhre, 7cm Diagonale, System 1. Nach kurzer Internet-Recherche zu diesem Ersatzteil habe ich zwar keine B7S1 gefunden, dafür aber eine O7S1 für einen relativ günstigen Preis. Eine weitere Recherche in meinem Röhren-Codex von 1948

Röhren-Codex 1948
Röhren-Codex 1948

und bei radiomuseum.org ergab, dass eine O7S1 ein Bildröhrenmodell von Telefunken aus der Zeit vor 1945 ist. Es hat die gleiche Heizspannung und scheinbar auch die gleiche Sockelbeschaltung wie eine B7S1. Weitere Daten zur O7S1 waren nicht verfügbar. Leider enthält mein Röhren-Taschenbuch von 1958 aus dem Fachbuchverlag Leipzig die B7S1 noch nicht.

Röhren-Taschenbuch Band II, 1958
Röhren-Taschenbuch Band II, 1958

Mich hat aber die Ähnlichkeit zwischen beiden Röhren zu der Annahme verleitet, dass die B7S1 von RFT aus den 50er Jahren ein kompatibler Nachbau der Telefunken-Röhre aus den 40er Jahren ist. Also habe ich sie kurzerhand gekauft und nach wenigen Tagen ist die Röhre unbeschadet bei mir angekommen. Der erste Anblick war gut. Äußerlich und mechanisch war anscheinend alles in Ordnung, die Kontakte waren ewig nicht in einem Sockel. Das erkennt man recht einfach mit der Lupe an korrodierten aber nicht zerkratzten Kontakten. Auch das Telefunken-Logo und die Bezeichnung sind noch schräg gegen das Licht gehalten, ganz gut zu sehen. Die silberne Aufschrift O7S1 ist aus der Neuzeit mit einem dieser Spezialstifte aufgebracht.

O7S1 Bezeichnung und Telefunken Logo
O7S1 Bezeichnung und Telefunken Logo

Auf dem Sockel selbst war der originale Aufdruck V II / RÖ 19 zu finden. Mir kam kurz der Gedanke, ob es sich eventuell nicht um römisch sieben, sondern um V römisch zwei bzw. V2 handelt. Wahrscheinlich bedeutet es aber Baugruppe 7 / Röhre 19. Falls irgend jemand weiß, um welches Gerät es sich handeln könnte, bitte ich unbedingt um eine Nachricht.

O7S1 Sockel Detail
O7S1 Sockel Detail

Da ich noch ein originalen Picoskop EO1/7 besitze, konnte ich die Röhre dort einsetzen und einen schnellen Test machen. Aber alles bleib dunkel. Trotzdem habe ich dem Online-Händler zunächst keine schlechte Bewertung gegeben, sondern habe eine Testschaltung aufgebaut. Sehr geholfen hat mir dabei die Seite von Burkhard Kainka, auf der neben vielen Grundlagen sowie kleinen und großen Bastelprojekten auch eine Testschaltung für ein Mini-Oszilloskop veröffentlicht ist. An dieser Stelle ein großer Dank von mir an den Betreiber der Seite für die Arbeit, das alles zu veröffentlichen.


Zurück zur Testschaltung: Während des Aufbaus wurde schnell klar, dass die Sockel der beiden Röhren B7S1 und O7S1 um 180° gedreht sind und nach kurzer Zeit konnte ich feststellen, dass die Röhre grundsätzlich funktioniert.

O7S1 Erster Test
O7S1 Erster Test

Was nun folgte waren einige Wochenenden Bastelei. Als erstes habe ich herausgefunden, dass Gitter 1 keine Funktion mehr hat. Damit ist keine direkte Helligkeitsregelung mehr möglich. Das ist nicht so sehr problematisch, da man die Helligkeit auch mit der Anodenspannung regulieren kann. Möglicherweise ist damit aber auch der Focus beeinträchtigt und wahrscheinlich hat die Röhre nicht mehr die Performanz wie im Originalzustand. Trotzdem habe ich versucht, die bestmögliche Schaltung zu entwickeln. Grundlage war wie oben beschrieben die Testschaltung von Burkhard Kainka.

Als erstes habe ich versucht, die X-Ablenkung zu verbessern. Ideal ist ein  Sägezahngenerator, der einen linearen Spannungsanstieg und sehr schnellen Abfall hat. Die originale Kippschaltung mit einer Glimmlampe liefert allerdings einen exponentiellen Spannungsverlauf. Man sieht das sehr deutlich auch in dem Oszillogramm im Artikel von Burkhard Kainka, die Kurve ist rechts gestaucht. Meine Idee sollte ebenso einfach aber etwas besser sein und schließlich habe ich mit einem Sägezahngenerator mit einen Unijunction-Transistor (UJT) experimentiert, dessen Grundschaltung recht simpel ist.

Schaltbild PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646 erster Versuch
Schaltbild PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646 erster Versuch

Am Emitter kann ein Sägezahn abgenommen werden, der schon etwas linearer ist, als eine Kippschaltung mit Glimmlampen. Natürlich handelt es sich wieder um die Ladekurve eines Kondensators bzw. eine e-Funktion. Allerdings bewegen wir uns hier nur im unteren Bereich. Eine Simulation mit PSpice zeigt das Erwartete, einen nicht ganz linearen Anstieg.

PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, erster Versuch
PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, erster Versuch

Da die Frequenz veränderlich sein sollte, habe ich in die Schaltung einen Widerstand eingefügt, der während der Simulation über einen Parameter verändert wird. Mit PSpice geht das so, dass man einen globalen Parameter auf dem Arbeitsblatt platziert, in dem Fall V_POT. Es werden dann mehrere Simulationen durchlaufen und dieser Parameter verändert. Ich habe Schritte von 0.2 zwischen null und eins gewählt. Über C2 und R4 wird die Belastung des Generators dargestellt.

Schaltbild PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646
Schaltbild PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646

Auch hier ergab die Simulation keine Überraschungen. Allerdings war es recht schwierig, die Konvergenzprobleme mit PSpice in den Griff zu bekommen. Das ist gerade bei der Simulation von Oszillatoren problematisch und man muss mit einigen Simulationsparametern experimentieren, bis alles fehlerfrei bis zum Ende läuft.

Die Frequenz ist in weiten Grenzen regelbar, wir haben jetzt einen prima Sägezahngenerator für die X-Ablenkung.

PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, 7.5ms
PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, 7.5ms

Und noch ein Ausschnitt der ersten halben Millisekunde.

PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, 500µs
PSpice Simulation Sägezahngenerator mit UJT 2N2646, 500µs

Am Ende habe ich ein Oszillogramm des aufgebauten Sägezahngenerators gemacht bei minimaler Frequenz, es sollte also wie die grüne Kurve aussehen. Und voila es sieht ziemlich ähnlich aus. Die Amplitude ist etwas höher und die Frequenz etwas niedriger. Ich schiebe das mal auf die Bauteiltoleranzen.

Oszillogramm Sägezahngenerator mit UJT 2N2646
Oszillogramm Sägezahngenerator mit UJT 2N2646

Die Empfindlichkeit der O7S1 ist eher mäßig. Der genaue Wert ist mir nicht bekannt. Meine Tests haben etwa 50V/cm für die X- und 40V/cm für die Y-Ablenkung ergeben. Damit war die nächste Aufgabe zu lösen, das Signal um den Faktor 25 bis 30 zu verstärken. Stilecht habe ich eine Triode gewählt. Die Hochspannung ist für die Bildröhre ohnehin vorhanden womit der Einsatz einer weiteren Röhre keinen großen Zusatzaufwand bedeutet. Als Triode mit hoher Verstärkung bietet sich eine ECC83 an. Wegen des hohen Preises der ECC83 habe ich die sehr ähnliche 6N2P bzw. 6H2П gewählt, die heute noch in Russland gefertigt wird. Als Schaltung kommt eine Standard-Verstärkerschaltung für Trioden zum Einsatz. Hier der Ausschnitt aus dem Gesamtschaltbild des Mini-Oszilloskops.

Schaltbild Verstärker mit Triode
Schaltbild Verstärker mit Triode

Das zweite System der Doppeltriode wurde für den Y-Verstärker verwendet, der identisch zum X-Verstärker aufgebaut ist. Die Ablenkplatten müssen zum Teil ein höheres Potential als die Anode haben, um den X- und Y-Ursprung über den gesamten sichtbaren Bereich verschieben zu können. Diese Funktion wird durch einige Spannungsteiler und Potentiometer (R9 bis R19 und P2/P3) realisiert. Mit Potentiometer P4 wird der Focus eingestellt. Damit war das Mini-Oszilloskop dann einigermaßen gut funktionsfähig und ich zufrieden.

Zum Schluss noch das gesamte Schaltbild, eine Fotogalerie und ein kurzes Video.

Vollständiges Schaltbild
Vollständiges Schaltbild

 

Mini-Oszilloskop komplett
Mini-Oszilloskop komplett

 

Mini-Oszilloskop Elektronik
Mini-Oszilloskop Elektronik

 

Sägezahngenerator mit Unijunction-Transistor 2N2646

 

Mini-Oszilloskop Elektronik von unten
Mini-Oszilloskop Elektronik von unten

Sinus- Rechteck- und Dreieck-Signale ca. 2kHz aus meinem Funktionsgenerator.

Sinus Rechteck Dreieck

Die Röhren glühen.

So sieht das ganze live aus, gespeist vom Funktionsgenerator.

 

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